Am Tage nach dem Referendum, das mit überwältigender Mehrheit den Sparvorschlag der Gläubiger abgelehnt hat, kam es in Athen zu einer überraschenden Regierungsumbildung. Finanzminister Gianis Varoufakis wurde vom Ministerpräsidenten Alexis Tsipras zum Rücktritt gezwungen.
Diese Entwicklung war nach dem Ergebnis des Referendums nicht zu erwarten. Varoufakis war ein Verfechter der harten Linie gegenüber den Gläubigern, er hatte sich wiederholt gegen die Annahme des Sparvorschlags der Partner und Gläubiger geäußert und deutlich gemacht, dass er eine Einigung, die die Austeritätspolitik fortsetzen würde, nicht unterzeichnen würde. Er zählte zu den entschiedenen Befürwortern des Referendums und wollte dadurch die Gläubiger erheblich unter Druck setzen.
Am Sonntagabend, als sich abzeichnete, dass die Griechen über alle Erwartung mit „Nein“ stimmen würden, wurde Varoufakis von regierungsnahen politischen Kommentatoren in Athen als ein der Sieger des Abends gefeiert, er schien unangefochten zu sein. Kurz nach Bekanntgabe der ersten offiziellen Prognose um 21.00 Uhr erschien der Finanzminister am Sitz des Ministerpräsidenten. Dort aber wurde er nicht feierlich im Empfang genommen.
Nein als Aufforderung
Bei einer Zusammenkunft des Wirtschaftsressorts unter Tsipras wurde Varoufakis vom Vizepräsidenten der Regierung Giannis Dragasakis und dem Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis wegen diverser Äußerungen in den letzten Tagen scharf angegriffen. Tsipras verteidigte ihn nicht, im Gegenteil. Am Ende der Sitzung forderte er seinen Rücktritt. Gleich danach versicherte Tsipras in einer Fernsehansprache, dass er das Ergebnis des Referendums nicht als einen Auftrag interpretiere, den Bruch mit den Partnern zu riskieren, sondern als eine Aufforderung betrachte, aus einer verstärkten Ausgangsposition die Verhandlungen wieder aufzunehmen.
In diesem Sinne, ist die Entfernung des umstrittenen Wirtschaftsministers eine versöhnliche Geste an der Adresse der EU-Partner, die mit dem griechischen Finanzminister nicht mehr verhandeln wollten. Varoufakis selbst hatte in seiner Erklärung am Montagmorgen, in der er seinen Rücktritt bekanntgab, für die Entlassung seine Ministerkollegen in der Eurogruppe verantwortlich gemacht und angedeutet, dass diese ein Zeichen der Nachgiebigkeit von Tsipras gegenüber den Forderungen der Gläubiger sei.
Grundlage für neue Verhandlungen
Tatsächlich deutet die Entlassung von Varoufakis, aber auch die Linie, die Tsipras seit Sonntagnacht eingeschlagen hat, daraufhin, dass er noch einen Versuch unternehmen will, sich mit den Partnern zu einigen und bereit ist für Komprimisse. So signalisierte er den Partnern, dass er wieder ihre Vorschläge zu diskutieren wolle. Im Rat der politischen Führer, der am Montag in Athen tagte, sagte Tsipras, dass Grundlage der Verhandlungen die Gegenvorschläge der griechischen Regierung am letzten Vorschlag der Institutionen sei. Das heißt, dass das im Referendum vom Volk abgelehnte Sparmaßnahmenpaket für die Regierung in Athen praktisch auf dem Tisch bliebe.
Tsipras versucht über all dem, die Partner zu einem Wiederbeginn der Verhandlungen zu bewegen. Dann würde möglicherweise auch die EZB den Liquiditätshahn für die griechischen Banken wieder aufzudrehen. Darüber hat Tsipras am Abend nach dem Referendum auch mit Bundeskanzlerin Merkel am Telefon gesprochen. Sein Problem ist allerdings, dass viele EU-Partner nicht nur Varoufakis als unglaubwürdig betrachten, sondern auch ihn selbst.
Nun bleibt es abzuwarten, ob der erneute Anlauf der griechischen Regierung, die mit der dringenden Aufforderung der Oppositionsparteien, die Verhandlungen schnellstens abzuschließen, zu einem tragfähigen Kompromiss führen wird.